Dr.phil. Richard PATSCHEIDER

Dr. Phil. Richard PATSCHEIDER 1883-1971

  • Geboren: 17.12.1883, Berwang bei Reutte (Österreich)
  • Gestorben: 22.12.1971 in München

Eltern:

Heirat:

  • am 28.7.1914 in Troppau mit Andrea HELD

Kinder:

  • Helga PATSCHEIDER geb. 14.2.1916 in Leoben
  • Heinz C. Martin PATSCHEIDER geb. 5.4.1920 in Troppau
  • Adelheid PATSCHEIDER geb. 26.7.1923 in Sternberg/Mähren
  • Harold Klaus PATSCHEIDER geb. 7.7.1927 in Troppau

(Anm. d. Verf.: mein Großonkel väterlicherseits)

Lebensstationen:

Er wurde in Berwang als zweiter Sohn des Försters Ferdinand Patscheider. geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Mayrhofen im Zillertal (Tirol). Nach dem Besuch der Gymnasien in Salzburg, Feldkirch und Innsbruck studierte Richard Patscheider Germanistik, promovierte am 21.7.1909 in Innsbruck zum Dr. phil. und wurde Lehrer.

 

Seine beruflichen Stationen waren: 1909-12 Leoben, 1912-13 Wien, 1913-33 Troppau, 1937-39 München, in den letzten Kriegsjahren Krakau (Referent für das höhere Schulwesen). Krieg, Verhaftung und wieder Krieg unterbrachen die Zeiten des Lehrens.

 

Dr. Richard Patscheider fühlte sich nicht nur seinem Beruf, sondern vor allem auch seinem Volk verpflichtet. Während der Studienzeit in Innsbruck war er Motor im Kampf gegen überspannte italienische Hochschulforderungen. Er verlor in einem Duell sein rechtes Auge, und leistete 1915-1918 als Kriegsfreiwilliger und „Einser”-Offizier Frontdienst im Süden. 1919 begann er eine umfangreiche und bahnbrechende Volkstumsarbeit. Er war u. a. Hauptleitungsmitglied der „Dt. Gesellschaft für deutsche Volksbildung in der CZE” in Troppau, Gründer und Leiter der „Ortsgruppe für Kunst und Wissenschaft”, Vorsitzender des Bezirks- und Stadtbildungsausschusses, Stadtrat und Obmann des Theaterausschusses sowie Gründer der schlesischen Stammlandbewegung (Kulturwochen). Mit Gleichgesinnten erstrebte er die Bildung eines auf stammlich-landschaftlichem Föderalismus beruhenden sudetendeutschen Volksverbandes („Der Weg”).

 

Am 4.10.1933 wurden Richard Patscheider und seine Freunde verhaftet und in einem damals Aufsehen erregenden Prozess („Patscheiderprozess”, siehe weiter unten) zu jahrelangem Kerker verurteilt. Nach der Haftentlassung folgte die Übersiedlung nach München. 1939 meldete sich Dr. Patscheider wieder zum Wehrdienst, er stand als Major im Fronteinsatz (Grodno - Smolensk - Wjasma), war dann in Frankreich und am Wehrbereichskommando München, von wo aus die Abordnung nach Krakau erfolgte.

 

Nach dem Krieg war er mit einem mehrjährigen Berufsverbot belegt, wodurch er gezwungen war, die ersten Nachkriegsjahre als Hilfsarbeiter im Pinzgau (Salzburg) zu verbringen. Später kehrte er nach München zurück, wo er an einem Gymnasium Deutsch unterrichtete bis er 1951 in den Ruhestand trat.

 

Er war sowohl in Österreich als auch in Deutschland unentwegt für die Sudetendeutschen tätig. Im Jahre 1953 gründete er den Sudetendeutschen Klub in München, welcher 1963 in Deutscher Klub umbenannt wurde.

 

Den während der Haft in Ostrau entstandenen Büchern („Argopa”, „Mythensonate”, „Tyrol”, „Lebenslied”, „Sunta”, „Dietrich von Bern”, „Rosenkreuzzug”) folgten nach 1945 sippenkundliche Werke („vom Oberrhein zum Etschquellraum” (erschienen 1967 beim Verlag Robert Lerche, München) und „Von Sippenherkunft und Siedlerschicksal”) sowie zahlreiche Beiträge in wissenschaftlichen Zeitschriften.

Der Patscheiderprozess:

Um den Patscheiderprozess verstehen zu können, muss man sich zuerst die geschichtliche Lage vor Augen halten: die ehemaligen österreichischen und preußischen Gebiete wie Schlesien, Böhmen und Mähren wurden nach dem 1. WK zur Tschechoslowakischen Republik. Im Grenzgebiet (tschechisch Sudety) blieb aber eine mehrheitlich deutsche Bevölkerungsgruppe erhalten. Durch das Wiedererstarken des Deutschen Reichs in den 1930er Jahren keimte auch der Wunsch der Bevölkerung dieser Grenzregion nach einer Angliederung an Deutschland stark auf.

 

Durch die Aktivitäten der Sudetendeutschen Heimatfront sensibilisiert, verschärften die tschechischen Staatsbehörden die Maßnahmen im Grenzland und beobachteten mit Misstrauen jedes Anzeichen einer möglichen politischen Vereinigung zwischen dem Sudetenland und Deutschland. Genau in diese Zeit fiel der Patscheiderprozess welcher in Ostrau stattfand.

 

Wie es weltpolitisch weiterging wusste damals niemand, heute wissen wir, dass der Druck von Hitler das Sudetenland militärisch zu besetzen immer größer wurde. Um den Frieden in Europa zu retten fand in München eine Konferenz zwischen Chamberlain und Hitler statt (auch Mussolini und Frankreich verhandelten mit, aber nicht die Tschechoslowakei!), welche in das Münchner Abkommen mündete. Dieses Abkommen übertrug das Sudetenland an Deutschland. Den Rest Tschechiens nahm sich Hitler dann ungefragt am 5. März 1939. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Sudetenland dann der Tschechoslowakei zugesprochen. Mit den (noch während des Krieges erlassenen) Beneš-Dekrete wurde die deutschen Bevölkerung pauschal zu Staatsfeinden erklärt, ausgebürgert, enteignet und de facto zur Auswanderung gezwungen.

 

Zurück in die 1930er Jahre: Nach der Machtübernahme Hitlers in Deutschland radikalisierten sich einige nationalistischen Kreise im Sudetenland, das von der Wirtschaftskrise immer noch hart betroffen war. Im Oktober 1933 gründete der Sportlehrer Konrad Henlein die Sudetendeutsche Heimatfront, eine politische Bewegung, die das Sudetendeutschtum über Parteien und Stände hinweg sammeln wollte. Die tschechoslowakischen Staatsbehörden regierten mit verstärktem Misstrauen und versuchten jedes Anzeichen einer möglichen politischen Vereinigung zwischen dem Sudetenland und Deutschland hintanzuhalten.

 

Dr. Richard Patscheider unterrichtete in dieser Zeit deutsch am Gymnasium in Troppau und irgendwie, wahrscheinlich durch ein Sammelsurium aus eigenen Aussagen, durch Aktivitäten in Sudetendeutschen Vereinen und durch einige nationalistische Aufsätze seiner Schüler, welche er tolerierte, geriet er ins Fadenkreuz der Behörden. Auch war er den tschechoslowakischen Behörden wegen seiner angeblich „antitschechischen und den Staat ablehnenden Haltung” schon früher aufgefallen. Ebenso habe er seine deutschnationale Gesinnung als Mitglied des Gemeinderates der Stadt Troppau kaum verborgen.

 

Im Herbst 1933 lief in der schlesischen Stadt Troppau eine Aktion der tschechoslowakischen Staatspolizei gegen vermeintliche Staatsfeinde ab. Es gab fast täglich Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Am 4.10.1933 wurden Dr. Richard Patscheider und seine Freunde verhaftet. Hauptanklagepunkt war die staatsfeindliche Tätigkeit des Beschuldigten. Ihm wurde vorgeworfen, in Verbindung mit ausländischen Institutionen, die Integrität der Tschechoslowakei bedroht zu haben. Der Staatsanwalt beurteilte die Aktivitäten, die angeblich zur Konstruktion eines neuen „schlesischen Stamms” führen sollten als eindeutig „großdeutsch” ausgerichtete Aktionen.

 

Im Laufe des Prozesses wurden über 20 Personen angeklagt, unter ihnen einige ehemalige Schüler des Gymnasiums und der bekannte Volksbildner Dr. Emil Lehmann, welcher früher Mittelschulprofessor in Landskron war. Lehmann wurde, wie Patscheider, verurteilt, da er aber aus der Republik flüchtete, nicht inhaftiert.

 

Der Prozess begann im Dezember 1935 und machte Schlagzeilen auf den Titelseiten der damaligen deutschen Presse, in Troppau sorgte er für viel Aufsehen. Die Aussagen der ehemaligen Schüler von Dr. Patscheider, die als Zeugen vor das Gericht vorgeladen wurden, stellten Patscheider ein durchaus günstiges Zeugnis aus (Deutsche Zeitung Bohemia 18.12.1935, 2). Der Staatsanwalt war jedoch anderer Meinung, berief sich dabei auf einige beschlagnahmte Hausarbeiten von Patscheiders Schülern der 7. Klasse aus dem Schuljahre 1931-32, in denen großdeutsches und antitschechoslowakisches Gedankengut entdeckt und drittes Reich verherrlicht wurde.

 

Soweit man den Zeitungen entnehmen kann, war er bei Prozessbeginn abgemagert und sowohl seelisch als auch körperlich in sehr schlechtem Zustand. Ob das auf die fast zweijährige Untersuchungshaft, oder auf schlechte Haftbedingungen zurückzuführen ist bleibt offen.

 

Vor Gericht verteidigte er sich, indem er seine politischen Ansichten als einen „slawisch-germanischen Föderalismus” darstellte. Diese Meinung wiederholte er auch in seinem Schlusswort vehement: „ich bekenne mich dazu, dass mein politisches Ideal die Föderative von Mitteleuropa ist“. Das Ziel sei an einem Ausgleich von Ostdeutschtum und Westslawentum zu arbeiten. Seine Tätigkeit in der Vereinigung „Bereitschaft” hätte nach seinen Worten eine Synthese zwischen „Volkstreue und Staatstreue” gebracht.

 

Am 24. März 1936 wurde Dr. Richard Patscheider schuldig gesprochen und zu vier Jahren schweren Kerker, den Verlust aller staatsbürgerlichen Rechte und einer Geldstrafe von 10.000 Kronen verurteilt. Die Urteilsschrift liegt im Staatsarchiv in Prag, sie umfasst 500 Seiten! Die Untersuchungshaft wurde angerechnet, sodass er am 20. Dezember 1936 vorzeitig entlassen wird. Durch den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte auf 5 Jahre ist seine berufliche Karriere vernichtet, er war gezwungen das Land zu verlassen und so übersiedelte er 1937 nach München.

 

Überraschend ist nicht nur das Urteil, auch die Wucht des staatlichen Eingriffs ist bemerkenswert. Es wird vermutet, dass Patscheider, der sich in der Organisation „Bereitschaft zur Arbeit für Jugenderziehung und Volksbildung in der T.S.R.” einen Namen gemacht hat, von Kontrahenten aus dem „Kameradschaftsbund” denunziert wurde. Auch im Gerichtsprozess wurde mehrmals auf unüberwindliche Gegensätze zwischen dem sudetendeuschen Osten und dem sudetendeutschen Westen hingewiesen.

 

Quellen:

Richard PATSCHEIDER

 

Dr.phil. Richard PATSCHEIDER geb. 17.12.1883, Berwang b. Reutte

 

Dr.phil. Richard PATSCHEIDER geb. 17.12.1883, Berwang b. Reutte

 

 

 

Patscheider Geschwister mit Mutter: vlnr: Marie, Adelheid (Mutter), Anton, Ida, Theres und Richard

 

Patscheider Geschwister mit Mutter: vlnr: Marie, Adelheid (Mutter), Anton, Ida, Theres und Richard

 

 

 

Dr. Richard PATSCHEIDER mit Sohn Harold und Enkelkinder - v.l.n.r.: Andreas, Richard, Harold und Gabi

 

Dr. Richard PATSCHEIDER mit Sohn Harold und Enkelkinder - v.l.n.r.: Andreas, Richard, Harold und Gabi

 

 

 

Richards Ehefrau Andrea PATSCHEIDER (led. HELD) und Enkeltochter Gabi

 

Richards Ehefrau Andrea PATSCHEIDER (led. HELD) und Enkeltochter Gabi

 

 

 

Diesen Brief schrieb Richard anlässlich der Geburt seiner Enkeltochter

 

Diesen Brief schrieb Richard anlässlich der Geburt seiner Enkeltochter, ich werde darin auch erwähnt

 

 

 

Festschrift zum 85. Geburtstag von Dr. Richard Patscheider

 

Festschrift zum 85. Geburtstag von Dr. Richard Patscheider

 

 

 

Ein Artikel über Dr. Richard Patscheider anlässlich seines 100. Geburtstages

 

Ein Artikel über Dr. Richard Patscheider anlässlich seines 100. Geburtstages aus den „Mitteilungen des Sudetendeutschen Archivs”, Nr. 73 (Oktober-Dezember 1983), Seite 37

 

 

 

Ein Artikel über Dr. Richard Patscheider anlässlich seines 80. Geburtstages

 

PDF einer Festschrift unbekannter Herkunft zu seinem 80. Geburtstag. Die Festschrift ist garniert mit seinem schwülstigen Gedichten, sie enthält aber wertvolle Informationen über seinen Lebenslauf.